Bericht K.-H. Knür

Historische Daten über unsere Wassermühle

Brief aus dem Bildband der Chronik der Ovelgönner Wassermühle

…. Sie fragen nach der Chronik der Wassermühle in Ovelgönne in Verbindung mit der Familie Knür. Nun, hier ist sie, und sie umfasst gut 50 Jahre unseres ereignisreichen Jahrhunderts.

Vorausschicken muss ich, dass die Familie Knür aus Düsseldorf stammt und mein Vater, Paul Knür, nach seiner Heirat Anfang 1920 nach Hamburg zog und dort lebte.
Hans Ahrens, ein Freund der Düsseldorfer Knürs und seines Zeichens Lehrer in Hamburg, hatte die Mühle bereits in den zwanziger Jahren für sich „entdeckt“ und wohnte dort in seinen Ferien. Auch machte er mit Schulklassen Wochenendfahrten nach Ovelgönne.
Für eine Gruppe von Wandervögeln, die Neroter, zu ihnen gehörte Kurt Knür, ein Vetter meines Vaters, war die Wassermühle ebenfalls Wanderziel.

Aufgrund dieser Verbindungen verlebte Paul Knür mit seiner Familie von Hamburg aus seit Ende der zwanziger Jahre oft Ferien in Ovelgönne. Wir wohnten im Gasthof Aldag, besuchten Müller Hoppe in der Windmühle und waren mit Freunden in der Wassermühle zusammen. – Man fuhr „in die Heide“.

Im Juli 1943, nach der Ausbombung in Hamburg, kam Paul Knür mit seiner Frau Bertha und den Söhnen Karl-Heinz und Dieter – sein ältester Sohn Helmuth war zu dieser Zeit Soldat in Russland – nach Ovelgönne und zog in die Wassermühle, gegen den anfänglichen Widerstand von Besitzer Bauer Peters, der dort Fremdarbeiter einquartieren wollte. – Die Mühle war damals in einem recht baufälligen Zustand: man hatte weder Wasser noch Licht; die Wohnfläche bestand aus einem größeren Raum und einer kleinen Kammer,  in der vier Holzetagenpritschenbetten standen. In der späteren Küche waren große Löcher in den Wänden, durch die die Ratten ein- und ausmarschierten. Das Dach und der Fußboden waren schadhaft, es gab keine Wand- und Bodenisolierung.

Familie Knür mietete die Mühle von Bauer Peters und begann, besonders nach Kriegsende 1945 über den Sommer hin, die Wohnräume aus- und umzubauen. Die Genehmigung hierfür erteilte der englische Stadtkommandant in Buxtehude. – Auch wurde der ganze Platz um die Mühle herum durch Paul Knür gestaltet und gemeinsam mit Freunden bearbeitet. Hierzu gehörte u. a. eine Feldsteintreppe – gebaut von einem Steinmetz aus Elstorf -, in die eine Familienurkunde eingemauert wurde.

Bis zum Bau einer Wasserleitung holten wir sämtliches Wasser in Eimern mit Hilfe eines Hummels zunächst von Bauer Peters, später von Bauer Reese. Im Zuge der Umbauarbeiten wurde durch Paul Knür eine Leitung vom Teich in die Mühle gelegt, um wenigstens „Wirtschaftswasser“ zu haben; einen Trinkwasserbrunnen machte ich 1955 meinen Eltern zum Geschenk.
Sanitäre Anlagen existierten nicht, auch sie wurden im Zusammenhang mit dem Umbau von Paul Knür eingerichtet.

Korn wurde in der Mühle nicht mehr gemahlen, da das Mühlenrad bereits sehr renovierungsbedürftig war. Lediglich in den Notzeiten während des Krieges wurde die Mühle noch ein- bis zweimal in Bewegung gesetzt, doch ging es dem Haus bis an die „Grundfesten“, so dass man es dann nicht mehr wiederholte.

Paul Knür kümmerte sich ständig liebevoll darum, dass die immer notwendigen Instandsetzungsarbeiten am und im Hause durchgeführt wurden und konnte so die Mühle vor dem drohenden Verfall retten. 1969, nach dem Tod seiner Frau und seines ältesten Sohnes Helmuth, war er allein dieser Arbeitsfülle nicht mehr gewachsen. Schweren Herzens nahm er Abschied von seiner geliebten Wassermühle und zog in ein Altersheim nach Hamburg, wo er 1973, kurz vor seinem 85. Geburtstag, starb.

Fast ein halbes Jahrhundert ist „die Mühle“ mit dem Schicksal der Familie Knür eng verbunden gewesen, und sie durfte für uns alle, besonders von 1943 bis 1969, noch einmal zu einer wahren Heimat werden, in der Paul Knür seine beruflichen Arbeiten als Kälteingenieur und später als freier beratender Ingenieur und vereidigter Sachverständiger weiterführen konnte. Auch seine Frau Bertha fand in der Wassermühle eine geeigente Stätte für ihre Tätigkeit als Heilpraktikerin. Unzähligen Menschen hat sie helfen und auch bei Tierkrankheiten den bäuerlichen Familien im Dorf beistehen können.

Viele Freunde aus nah und fern genossen in der Mühle die herzliche, gastfreie Atmosphäre. Zu ihnen gehörte auch Hans Ahrens, der bis zu seinem Tode Anfang 1960 ständiger und gern gesehener Gast in seiner alten Wassermühle war. – Der 80. Geburtstag von Paul Knür im Mai 1968 führte noch einmal alle Berufskollegen, Freunde, Nachbarn und die Familie zu einem wahren Mühlenfest zusammen.

Viel gäbe es noch zu berichten, doch würde es ein Buch füllen. So mag es hier gut sein.

Mit herzlichen Grüßen

Karl-Heinz Knür