Dokumentation zum 25-jährigen Jubiläum des Vereins Ovelgönner Wassermühle
Ein Vierteljahrhundert Vereinstätigkeit im Zeichen der Kulturbaupflege
Seit der Umsetzung des aufwendigen Restaurierungsprogramms vor 25 Jahren erfreute sich unsere nunmehr 335 Jahre alte Wassermühle nachhaltiger Popularität.
- Sie empfängt übers Jahr zahlreiche Besucher, die kommen, um ihre schlichte, rustikale Schönheit zu bewundern, und das scheinbar simple, faktisch aber subtil konstruierte Mühlenwerk kennenzulernen und den Mahlgang von der Mahltrommel bis zur Sackpfeife mitzuerleben.
- Sie empfängt Gäste, die mit dem Fahrrad, dem Auto oder zu Fuß unterwegs sind, im Mühlengarten Rast machen und das idyllische, reizvolle Ambiente genießen.
- Die stilgetreu eingerichtete Mühlendiele gilt als beliebter Treffpunkt für Führungen, Arbeitstagungen, Ausstellungen, Lesungen, Musikdarbietungen oder auch für Empfänge zu geselligen Anlässen. Und seit kurzem steht sie auch jungen Leuten zur Verfügung, die hier in gediegener Atmosphäre den Bund fürs Leben schließen möchten.
Das scheint heute alles so sehr selbstverständlich zu sein, aber wenn wir einmal drei bis vier Jahrzehnte zurückblenden, so sehen wir den genauen Kontrast zu dem, was sich uns gegenwärtig darbietet.
Der graduelle Niedergang der Mühle
Im Zuge der industriellen Revolution verloren die herkömmlich betriebenen Wind- und Wassermühlen zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung und wurden, was ihren ursprünglichen Stellenwert betraf, schließlich per Gesetz 1956 zur funktionalen Bedeutungslosigkeit degradiert. Die Umsetzung des Mühlengesetzes, das bei Stilllegung des Betriebes eine Ablösesumme für den Kleinmüller vorsah, bedeutete das endgültige Aus für das traditionell geführte Gewerbe (vgl. dazu R. Hagen, „Geschichte des Mühlensterbens“, Mühlenjournal, ed. 9, 2004, p. 27ff.).
Was die historische Wassermühle zu Ovelgönne betraf, so ging sie bereits 1872 in Privateigentum über und diente vorwiegend nur noch dem Eigenbedarf des in unmittelbarer Nähe liegenden landwirtschaftlichen Betriebes. Der noch vor dem I. Weltkrieg umgerüstete Arbeits- und Wohntrakt wurde vermehrt von Hamburger Wochenendurlaubern angemietet, Schulklassen und andere Gruppen wie die Hamburger „Wandervögel“ fanden dort immer häufiger zeitweilige Unterkunft.
Während der verheerenden anglo-amerikanichen Bombenangriffe vom 24. Juli bis 03. August 1943 wurde ein Großteil der Wohnviertel von Hamburg vernichtet, und die Menschen, die das Inferno überlebt hatten, mussten sich als „Ausgebombte“ nach einer Ersatzunterkunft umsehen, und die fanden die meisten von ihnen situationsbedingt nur im Umland. So kam auch, wie Karl-Heinz Knür in seiner 1990 verfassten „Chronik“ dokumentiert, „… im Juli 1943… Paul Knür mit seiner Frau Bertha und den Söhnen Karl-Heinz und Dieter … nach Ovelgönne und zog in die Wassermühle“.
„Die Mühle“, so konstatiert er, „war damals in einem recht baufälligen Zustand: man hatte weder Wasser noch Licht, die Wohnfläche bestand aus einem größeren Raum und einer kleinen Kammer, in der vier Holzetagenpritschenbetten standen. In der späteren Küche waren große Löcher in den Wänden, durch die Ratten ein- und ausmarschierten. Das Dach und der Fußboden waren schadhaft, es gab keine Wand- und Bodenisolierung (vgl. Mühlenjournal, ed. 3, 1998, p. 34).
Mit Genehemigung des englischen Stadtkommandanten in Buxtehude wurden nach Kriegsende unter Paul Knürs Regie die Wohnräume aus- und umgebaut, sanitäre Anlagen installiert, der Mahltrakt abgetrennt, Boden und Wände isoliert und mit Holzverkleidungen versehen. Insgesamt sei so, so stellt(e) Karl-Heinz Knür fest, in jener Zeit eine „herzliche gastfreie Atmosphäre“ geschaffen, „die Mühle vor dem drohenden Verfall“ bewahrt worden. Und es ist sicherlich zutreffend, dass durch die Knürschen (Um-)Baumaßnahmen die ursprüngliche Bausubstanz im Inneren besser geschützt wurde, i. e. in ihrem damaligen Stand ge- und erhalten werden konnte.
Das durfte nach der Freilegung der Räumlichkeiten im Rahmen der 1985 erfolgten Bauaufnahme dankend zur Kenntnis genommen werden.
Das Mühlenwerk ist indessen, auch aus statischen Gründen, in jender Zeit völlig außer Funktion gesetzt worden. Entsprechend wird in einem 1969 verfassten Lokalartikels des „Buxtehuder Tageblatts“ die „idyllisch am Damm des Teiches und im Schatten der alten Bäume gelegene Kornmühle“ … als „Zeuge der Vergangenheit“ präsentiert, gleichzeitig aber auf „ihr verwittertes Mühlenrad“ hingewiesen: „Heute steht es für immer still. Nur an manchen Abenden trägt der Wind ein Klappern vom Mühlenteich herüber.“
Mit dieser Einschätzung sollte sich der Reporter letztlich irren, allerdings dauerte es noch einige Jahre, bis der in dem Artikel angedeutete Dornröschenschlaf beendet werden konnte.
Der mühsame Weg bis zur Restaurierung
Aus Altergründen zog Paul Knür 1969 aus seiner Müllerwohnung aus, die ihm, wie er selbst gesagt haben soll, „noch einmal zu einer wahren Heimat“ geworden war. Danach setzte erneut ein Verfallsprozess ein, insbesondere, was das Äußere des historischen Gebäudes betraf. Und die Pflege des Mühlenwerks, das ist bereits erwähnt worden, war überhaupt nicht mehr wahrgenommen worden. Das Kernstück der Mühle war schlichtweg vernachlässigt, im wahrsten Sinne des Wortes ausgegrenzt worden, weil niemand mehr Nutzbringendes an ihm finden konnte.
Das beobachteten und bewerteten nicht nur kritische Zeitzeugen hier vor Ort so, sondern auch Liebhaber und Kenner der Materie, wie Annemarie und Rudolf Braunberg, die sich in den 70er Jahren vom Spessart aus auf die Suche nach den verbleibenden Wassermühlen in ganz Deutschland machten und auch unsere „molina“ in ihrem Versteck hinter dem Damm entdeckten. In dem von ihnen zusammengestellten und kommentierten Bildband wird ein Foto von unserer Mühle in dem damaligen Zustand gezeigt und mit einem Hauch von Wehmut festgestellt: „Diese reetgedeckte Mühle … ist so zerfallen und liegt so versteckt im Wiesengrund, dass hier niemand mehr ein Wasserad vermutet“ (Schneekluth Verlag München, 1981, p. 165).
Aber inzwischen war die Öffentlichkeit in und um Buxtehude durch zunehmende und in der Diktion zugespitztere Berichterstattung auf das heruntergekommene „Schandmal unter Denkmalschutz“ aufmerksam gemacht und für das Thema sensibilisiert worden. Unter dem Titel „In Ovelgönne rostet die Mühle am trockenen Bach“ schildert z. B. der Verfasser eines Artikels in der „Harburger Rundschau“ von 01. April 1977 ausführlich die Misere der historischen Stätte, wies aber gleichzeitig im Interview mit Dr. Arntzen, dem damaligen Leiter des Buxtehuder Stadtplanungs- und Hochbauamtes, Hoffnungsmomente für eine bessere Zukunft auf: Immerhin stehe die Anlage unter Denkmalschutz und dürfte von niemandem einfach so abgerissen werden. Es gebe inzwischen ein öffentliches Interesse, „das Haus als Baudenkmal zu erhalten“, und öffentliche Gelder stünden als Zuschüsse für begründete Restaurierungszwecke zur Verfügung.
Es bleibt also festzuhalten, dass im Laufe der 70er-Jahre (auch) in unserer Region ein allgemeines Umdenken in Gesellschaft und Politik stattfand, was den Umgang mit historisch wertvoller Bausubstanz betraf. Und ermutigt durch die Verabschiedung eines modernen niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes, waren es dann die Verantwortlichen des in bremischer Tradition stehenden Buxtehude, die die Weichen für die Rettung eines sichtbaren Zeichens einstiger welfischer Macht- und Herrschaftsansprüche stellten und zielbewusst den Restaurierungsprozess vorantrieben.
Die zuständige Verwaltungsleitung der Stadt setzte alle Hebel in Bewegung, um die Idee der Erhaltung des Baudenkmals Wirklichkeit werden zu lassen. Eine Fülle von Problemen stellte sich bereits im Vorfeld ein. So musste die Eigentümerfrage und das mit ihm verbundene Mieterproblem gelöst und vor allem auch eine geschickte Strategie angewendet werden, um das damals fast uneingeschränkt vorherrschende Denkmuster, Kultur bringe keine direkte Rendite, zu entkräften, also die noch vorhandene kritisch-ablehnende Stimmung in der Öffentlickeit vor Ort zu wenden und im Rathaus durch Vorlage eines umfassenden, soliden Konzeptes von dem Vorhaben zu überzeugen. Und das gelang relativ schnell.
Die Vorbereitung der Restaurierung
– Eine Expertise wies die Ovelgönner Wassermühle als „historisches Kleinod“ aus, „das im Landkreis Stade (inkl. der beiden selbständigen Städte) einzigartig ist.
– Eine verlässlicher Finanzierungsplan konnte vorglegt werden.
– Eine Abteilung der Fachhochschule Buxtehude fand sich bereit, die zunächst notwendige Bauaufnahme durchzuführen.
– Eine Architektengemeinschaft wollte die anstehenden Baumaßnahmen vorbereiten und kontrollierend begleiten.
– Für die Gestaltung der Außenanlagen sollte auf der Basis schon vorhandener Planung das städtische Gartenbauamt eingesetzt werden.
Das klang alles sehr durchdacht und erfolgversprechend, trotzdem gab es immer noch einige Skeptiker in den Ausschüssen und dem Rat, v. a. bezüglich des Nutzungskonzeptes und „womöglich entstehende Personalkosten“.
Werner Benecke (+)